Archive for the ‘Uncategorized’ Category

Der Wagram in alten Ansichten. Von Absdorf bis Zaussenberg

8. Dezember 2023

Hg. Verein für Tourismus und Regionalentwicklung Region Wagram: Der Wagram in alten Ansichten. Von Absdorf bis Zaussenberg

Redaktion Friedrich Ploiner

131 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. Hardcover

Edition Winkler-Hermaden, 2023

ISBN 978-3-9505166-9-2   EURO 26,90

Es ist ein Buch mit schönen Geschichten geworden. Das Spazieren durch die Dörfer und Märkte der Region Wagram von A bis Z läßt uns an vielen Merkwürdigkeiten teilhaben. Wir lernen das alte Gefängnis in Kirchberg am Wagram kennen, das erst 1974 außer Betrieb genommen wurde, erfahren vom verheerenden Frühstück Kaiser Leopolds I. in Neustift im Felde und lesen die Geschichte über die Winkler Frösche, die den Ort Winkl zum Gespött der Nachbardörfer macht.

Jeder Ort ist mit einem oder mehreren Altfotos vertreten und von jedem Ort wird eine Geschichte erzählt. Die Fotos und Ansichtskarten bieten die topografische Verortung, haben aber nicht unmittelbar mit der Geschichte zu tun. Hinter den Geschichten steckt ein Team von Heimatforschern, die vom Verein für Tourismus engagiert wurden, um über ihre Dörfer einen Beitrag zu liefern. Dementsprechend bunt und kundig ist der Blumenstrauß an Dorfgeschichten, Schlösserporträts und der Klage über die unberechenbare Donau.

Was sich die nicht ortskundige Leserschaft wünscht, ist eine Landkarte, die uns die Topografie der Örtlichkeiten verrät und damit auch die Grenzen der Region Wagram veranschaulicht. Die Einleitung bleibt uns schuldig, die Ausdehnung der Region zu skizzieren. Ganz überraschend ist festzustellen, dass Langenlebarn auch dazu gehört, nicht aber Klosterneuburg, das merkwürdigerweise zur Weinbauregion Wagram gezählt wird.

RE

Michael STARIBACHER: Das große Weinviertler Dialekt-Lexikon

5. November 2023

Michael STARIBACHER: Das große Weinviertler Dialekt-Lexikon

Mit Zeichnungen von Rudolf Schuppler

152 Seiten. Hardcover

Edition Winkler-Hermaden, 2023.

ISBN 978-3-9519762-0-4   EURO 24,90

http://www.edition-wh.at/

„Tui net so vü behgatzn!“ „Behgatzn“, lernen wir im neuen Lexikon, ist Synonym für Keppeln, Nörgeln. „Ruidaloh“ ist ein zappeliges Kind und ein „Guidn-Moring-Schuista“ ein Mensch, der die Arbeit gern auf morgen vertagt. Das neue Weinviertler Dialekt-Lexikon ist da. Michael Staribacher ist ein „Schuista, der bei seinen Leisten bleibt“. Er sammelt seit fast 40 Jahren Ausdrücke in der Weinviertler Ui-Mundart. Das große Weinviertler Dialekt-Lexikon ist bereits das dritte seiner Art, sozusagen das ultimative. In dieser Ausgabe sind auch die Bände 1 und 2 enthalten. Mehr als 3000 Ausdrücke sind gelistet und gut erklärt.

Da finden sich Einflüsse aus vielen Sprachen, etwa dem Tschechischen, dem Ungarischen, dem Französischen, das die Sprache des Wiener Hofes war, aus dem Jiddischen, dem Lateinischen usw. Da finden sich ureigenste Prägungen, die Bestandteil der dörflichen Lebenswelt waren, und da fließen heutige jugendsprachliche Wortschöpfungen ein.

Es ist vergnüglich, sich die Fülle an volltönigen Schimpfwörtern auf der Zunge zergehen zu lassen. Im Weinviertel wird fein nuanciert. Die nicht vollständige Palette reicht von „Mamlass“, „Mäulauf“, „Muhei“, „Simandel“, „Bluza“, „Au(n)depp“ bis „Sau-Batl“. Wer jetzt wissen möchte, wie jemand am passendsten zu titulieren ist, möge bei Staribacher nachlesen. Meine Vermutung ist, dass in dieser Disziplin das Weinviertel unerreicht ist.

Rudolf Schuppler trägt mit seinen Zeichnungen eine unterhaltsame Bilderläuterung zu den Wortlisten bei, die fast 150 Seiten füllen. Die Bebilderung ist Zäsur im Wortfluss, launiger Cartoon und anschauliche Illustration in einem.

Staribacher hat sich 2021 mit „Weinviertler Weisheiten“ den Redewendungen der Region angenommen (https://richardedl.wordpress.com/2021/12/05/weinviertler-weisheiten/)

2018 lernte die erstaunte Leserschaft mit „Sterzfresser und Gnackwetzer“ die Weinviertler Ortsspitznamen kennen (https://richardedl.wordpress.com/2018/12/02/sterzfresser-und-gnackwetzer/)

2012 erschien das „Weinviertler Dialektlexikon. Band 2“ https://richardedl.wordpress.com/2013/02/10/weinviertler-dialektlexikon-band-2/

Richard Edl

Zwei Bücher und die Frage: Wo ist „Hintaus“?

25. September 2023

Manfred H. Bauch, Martin Neid: Sinnieren im Weinviertel

art edition, Verlag Bibliothek der Provinz, 2022

176 Seiten, vierfärbig, Hardcover

ISBN 978-3-99126-154-4

Euro 34.-

www.bibliothekderprovinz.at

rudi weiß: hintaus

Mit 77 ganzseitigen Farbfotos und 80 Haikus

Mistelbach, Stadtgemeinde 2007

84 Seiten, Queroktav

vergriffen (Euro 12.-)

Manfred H. Bauch und Martin Neid in Kooperation bescheren uns ein „Sinnieren im Weinviertel“.  Bilder und Projekte des Malers und Designers Manfred H. Bauch werden verschränkt mit Texten des Weinviertler Schriftstellers, Schauspielers und Originals Martin Neid. Beide, der bildende Künstler und der Autor, kreisen mit ihren unterschiedlichen Zugängen seit Jahrzehnten um das Weinviertel in vielen Facetten.

Neid bringt uns seine Liebe zu dem unaufgeregten, nachdenklichen, beschaulichen und mauerblümchenhaften Weinviertel nahe, das seine Verortung im „Hintaus“ findet. Das ist, so stellt es der Autor dar, jener Ort, der hinten an die Höfe angrenzt. Dort ist es weniger aufgeräumt, weniger herzeigbar, bietet dafür aber Raum zum Nachdenken, Träumen und Sinnieren. Neids Texte sind kurz, anekdotenhaft und lassen immer neu sein Sinnieren aufblitzen.

Bauch zeigt einen Überblick über sein Schaffen von den 1980er Jahren an. Von den frühen grafischen Arbeiten verfolgen wir die Entwicklung zu Kunst im öffentlichen Raum und „Land Art“, die bis in die Gegenwart andauert. Abbildung und Selbsterklärung des Künstlers führen durch das Werk. Sehr früh, 1981, taucht bei ihm der Bildtitel „Hintaus“ auf. Es zeigt eine offene Landschaft, in der es keine Dörfer gibt. Die skizzierten Merkmale einer Hinterseite des Dorfes waren offenbar noch nicht geläufig. „Hintaus“ steht hier synonym für „Draußen auf dem Feld“.

Rudi Weiß nennt sein Buch von 2007 „Hintaus“. Weiß ist Fotograf und Poet aus Paasdorf bei Mistelbach. Seine Fotoserie mit ganzseitigen Abbildungen zeigt die Jahreszeiten, wie sie sich in der Landschaft spiegeln. Unterlegt hat er die Bilder mit Haikus, die sich sanft in die Bilderwelt schmiegen. Die weiten Landschaften und die Nahaufnahmen von Blumen und Früchten sind Bilder der die Dörfer umgebenden Agrarlandschaft. Bauwerke sind wenige zu sehen. Es ist ein Buch mit Landschaften und dennoch trägt es den Titel „Hintaus“. Hintaus ist im Verständnis des Fotografen wie bei Bauch synonym für „Draußen auf dem Feld“ verwendet. In den Haikus kommt „Hintaus“ überhaupt nicht vor.

Die Bedeutung des Begriffs, anders als bei Neid, ist ein verwaschener. Ein Grund mag sein, dass bei beiden Künstlern die dörfliche Verwurzelung nicht so unmittelbar ist wie bei Neid, der „Hintaus“ als imaginären Fluchtpunkt aus seinem in der dörflichen Welt verankerten Bezugssystem entwickelt. Martin Neid ist der große Hintaus – Philosoph, der er nur durch seine dörfliche Herkunft werden konnte. Und dazu ist die traditionelle Ansiedlung des Hintaus im hinteren Bereich des Dorfes, wie oben dargelegt, Voraussetzung. Wörtlich meint „Hintaus“ hinten hinaus, ist also ursprünglich eine wertfreie Richtungsangabe.

Mein Verständnis von Hintaus kommt aus dem gleichen Hintergrund wie bei Martin Neid. Im Buch „Hintaus bei den Stadeln“ ( https://richardedl.wordpress.com/2020/02/23/hintaus-bei-den-stadeln/ ) legen wir uns als Autorenteam  im Neid`schen Sinne fest und meinen die Hinterseite des Dorfes. Da sind nicht mehr die anschließenden Agrarflächen gemeint. Der Begriff ist, so scheint mir, mittlerweile aus dem dörflichen, zunächst unreflektierten Sprachgebrauch in diesem Sinne allgemein gebräuchlich geworden. Das Weinviertel ist dabei, sich deutlicher und klarer zu definieren.

Richard Edl

Edl Richard: Altlichtenwarth. Geschichte und Geschichten

7. Juli 2023

EDL Richard: Altlichtenwarth. Geschichte und Geschichten. Gesammelte Texte 1982 – 2015

113 Seiten, Kopierverfahren, Spiralbindung

Eigenverlag 2022

Erhältlich am Gemeindeamt Altlichtenwarth, gemeinde@altlichtenwarth.gv.at  02533/801806

Euro 15.- zzgl Versandkosten

https://www.altlichtenwarth.at/Altlichtenwarth_-_Geschichte_und_Geschichten

Lokalhistoriker:innen, die sich mit Leidenschaft und systematischer Neugier der Dokumentation ihres unmittelbaren Lebensraums widmen, gibt es vielerorts. Meist ist dafür eine gewisse Reife des Alters oder eine berufliche Motivation ausschlaggebend.

Bei Richard Edl trifft nichts davon zu: weder letzteres, da er als niedergelassener Arzt in Wien tätig ist, noch ersteres, da er bereits in jungen Jahren zu sammeln und (noch mit dem Namenszusatz „Junior“) zu publizieren begann. Das wirkt sich jedoch keinesfalls nachteilig aus – im Gegenteil: neben dem Museumsdorf Niedersulz, zu dessen Hauptinitiatoren er zählt, hat die über 40 Jahre aufrecht gehaltene Verbindung zu seinen Weinviertler Wurzeln einen weiteren Niederschlag gefunden: Nach dem „Debut“ mit einer Feuerwehr-Festschrift im Jahr 1982 hat Edl über seinen Heimatort Altlichtenwarth zahlreiche Texte zu unterschiedlichen historischen Themen und Anlässen verfasst; stets genau recherchiert, sei es für die Pfarrbriefe, sei es als Zeitschriften- oder Buchbeitrag, beispielsweise für das Bundesdenkmalamt. Was lag näher, als diese verstreuten Schätze zusammenzusuchen, zu ordnen und im Eigenverlag zu veröffentlichen? Ende 2022 erschienen, bringen sie sowohl den „Eingeborenen“ als auch den „Zugereisten“ wissenswertes Vergangenes aus ihrem Dorf näher; niederschwellig, zum Durchblättern oder zum aufmerksamen und genauen Lesen.

A propos „Lesen“: Einer der ausgesuchten Orte, wo man die Broschüre erwerben kann, ist das zur Familie gehörende Weingut in Altlichtenwarth ( https://www.weingut-edl.at/ ). Beide Ausprägungen des „Lesestoffs“, die flüssige des Neffen Alex und die geistige des Onkels Richard, sind jedenfalls sehr zu empfehlen!

Manfred Pregartbauer

KITZLER Gottfried: Die Volksschulen des Bezirkes Mistelbach in alten Ansichten

18. Juni 2023

KITZLER Gottfried: Die Volksschulen des Bezirkes Mistelbach in alten Ansichten

64 Seiten, durchgehend bebildert, Broschur

Eigenverlag, 2023

Heimatmuseum Niederleis

0676/7255113

gottfried.j.k@gmx.at

Euro 15.- zuzüglich Versandkosten

Oberschulrat Kitzler hat sich der mühevollen Aufgabe unterzogen, alle historischen Volksschulen des Bezirkes Mistelbach im Bild zu zeigen. Zeitstellung: vor 1918. Und tatsächlich ist der emsige Leiter des Heimatmuseums Niederleis und pensionierte Volksschuldirektor stolz in der Lage, von allen 114 Volksschulen dieser Zeit ein Abbildung zu präsentieren.

Entstanden ist also ein Bilderbuch, das veranschaulicht, dass jeder Ort seine Volksschule hatte. Geblieben sind heute gerade noch 37. Dem Büchlein, tatsächlich eine Kostbarkeit, das allerdings noch etwas mehr an erläuterndem Begleittext bieten könnte, sei viel Publikum gewünscht.

Richard Edl

GALLER Wolfgang: Marchfelder Bank. 150 Jahre Regionalbank im Marchfeld

18. Juni 2023

GALLER Wolfgang: Marchfelder Bank. 150 Jahre Regionalbank im Marchfeld

Eigenverlag Marchfelder Bank, 2023

53 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Broschur

ISBN 978-3-200-09064-4

Erhältlich in allen Filialen

https://www.marchfelderbank.at/

Wolfgang Galler widmet sich im Auftrag der Marchfelder Bank dem Portrait des Instituts. Die Bank begeht ihren 150. Geburtstag. Entstanden ist sie aus mehreren lokalen Initiativen, allen voran dem Spar- und Vorschussverein in Groß-Enzersdorf. Alle Hochs und Tiefs, die unsere Geschichte geprägt haben, der Zusammenbruch der Monarchie, die Inflation der 1920er Jahre, die Nazizeit und der Aufschwung nach dem Krieg werden nachgezeichnet.

Die letzte dramatische Veränderung ist erst in den letzten Jahren umgesetzt worden, nämlich die Herauslösung aus der angeschlagenen Volksbank-Gruppe und damit die Rückkehr zu einem selbstbewussten Regionalinstitut. Die Wurzeln wurden wieder in den Mittelpunkt gerückt. Regionalisierung ist erfreulich und im Trend.

Galler, gefragter Weinviertel-Historiker, hat akribisch und kompetent recherchiert. Die Darstellung ist spannend und auch für einen der Finanzwelt Unkundigen gut lesbar. Die Nazi-Zeit wird allerdings kursorisch behandelt, es gibt kaum Details und keine Nennung von Namen. Ob das den mangelnden Quellen geschuldet ist? Oder eher der mangelnden Courage der Auftraggeber?

Die Geburtstagswünsche sind allemal zu bestellen, es bleibt der Bank zu wünschen, dass sie in Globalisierungszeiten ihre Eigenständigkeit bewahren kann.

Richard Edl

Lauermann Ernst: Die Kelten im Weinviertel. Von Kriegern, Heiligtümern und Druiden

26. Mai 2023

Lauermann Ernst: Die Kelten im Weinviertel. Von Kriegern, Heiligtümern und Druiden

Edition Winkler-Hermaden, 2023

132 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Hardcover

ISBN 978-3-9505166-4-7

Euro 24,90

www.edition-wh.at

Im  Winkler-Hermaden Verlag gibt es wieder ein archäologisches Thema. Die Kelten im Weinviertel werden vorgestellt. Das rätselhafte Volk, das von Spanien, den britischen Inseln über Gallien bis Osteuropa und die Türkei Spuren hinterlassen hat, lebte von 400 vor Christus bis etwa Christi Geburt. Die Archäologen bezeichnen diese Periode als „Latène – Zeit“, so wie sie die vorausgegangene Periode von 800 – 400 vor Christus als „Hallstatt – Zeit“ bezeichnen, jeweils nach den berühmtesten Fundorten.

Autor Ernst Lauermann ist kompetenter Berichterstatter. Lauermann, ehemals Landesarchäologe von Niederösterreich mit Dienstort Urgeschichtemuseum Asparn an der Zaya, bietet einen kurzweiligen Durchlauf durch alles, was an Keltischem im Weinviertel gefunden wurde.

Einleitend werden Grundlagen und Verankerung dieses Volkes oder wohl besser dieser Völkergruppe in der europäischen vorchristlichen Welt geboten. Dann wird das Weinviertel durchgegangen. Zunächst sind die Siedlungen Thema, von dorfartiger bis großer Siedlung. Besonders sticht der Fundort Roseldorf bei Hollabrunn heraus, eine Großsiedlung, die eine eigene Münzprägestätte besaß und mehrere Heiligtümer aufwies.

Dann folgen die Themen Landwirtschaft und Handwerk. Waffen, Töpferei, Münzwesen, Glas- und Textilherstellung lassen erahnen, dass die Kelten eine arbeitsteilige Gesellschaft bildeten. Den Bestattungsgepflogenheiten wird nachgegangen. Gräberfunde sind eine wichtige Quelle für eine Kultur, die keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen hat.

Schließlich geht es um die Religion, die Heiligtümer und die Druiden. In Roseldorf wurde eines der Hauptheiligtümer der Siedlung ergraben und im Freilichtteil des Museums für Urgeschichte im Schloss Asparn an der Zaya rekonstruiert. Das spektakuläre Objekt erinnert an Menschenopfer und eine Götterwelt, von der nur wenig überliefert ist.

Die sagenumwobenen Druiden sind heute noch populär, nicht nur bei Asterix-Leser*innen. Sie spielen auch bei der spirituell motivierten Neuerweckung vorchristlicher Kulte eine wichtige Rolle. Diese Neuerweckung wird auch im Museum Asparn betrieben, mit Keltenfesten und Vorführungen experimenteller Archäologen, die Essen, Trinken, Kleidung, Handwerk und Kriegsführung erlebbar machen.

Das MAMUZ Museum-Mistelbach zeigt bis 26. November 2023 die Ausstellung „Kelten“, als deren Begleitpublikation dieses Buch auch gelesen werden kann. https://www.mamuz.at/de/ausstellungen/museum-mistelbach/12-kelten

Richard Edl

Friedrich Zweigelt (1888 – 1964). Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist

10. Januar 2023

Daniel Deckers: Friedrich Zweigelt (1888 – 1964). Wissenschaftler, Rebenzüchter, Nationalsozialist

196 Seiten, 31 teils farb. Abbildungen, gebunden

Böhlau Verlag, 2022

ISBN 978-3-205-21643-8   EURO 37.-

www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com

Gegen den Namensgeber des bekanntesten österreichischen Rotweins, Friedrich Zweigelt, sind in den letzten Jahren immer wieder Vorwürfe wegen seiner nationalsozialistischen Vergangenheit erhoben worden. Zweigelt war seit 1912 Lehrer und wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Höheren Lehranstalt für Obst- und Weinbau in Klosterneuburg. Von 1938 – 1945 hatte er die Leitung der Schule inne.

Zunächst zu seinen Verdiensten: In den 1920er Jahren startete er eine Versuchsreihe mit neuen Rebsorten, aus der die nach dem Züchter benannte „Zweigeltrebe“, eine Kreuzung aus Blaufränkisch und St.Laurent, hervorging. Die Rebe übertraf in den Versuchsreihen alle Erwartungen und wurde zum Shooting Star. Der „Blaue Zweigelt“ ist heute die mit Abstand wichtigste Rotweinsorte des Landes und zählt zu den bedeutensten Rebneuzüchtungen weltweit.

Zweigelt war Nationalsozialist. In der Kontorverse geht es um den Namen des Rotweins. Soll es beim „Blauen Zweigelt“ bleiben, wie ihn alle Weinliebhaber kennen?  Oder soll der Name geändert werden? Dazu möchte die vorliegende Arbeit des Weinhistorikers Daniel Deckers einen, wie sich zeigt, notwendigen Beitrag leisten.

Das Buch bietet eine detailreiche Aufarbeitung der Biographie Zweigelts. Ein besonderer Fokus liegt auf seiner Rolle in der Zeit des Nationalsozialismus. Der Autor recherchiert akribisch, es werden bisher unbekannte Quellen gehoben. Zweigelt nützt die Machtverhältnisse der Zeit und dient sich dem Regime an. Seine dokumentierten öffentlichen Äußerungen lassen daran keinen Zweifel aufkommen. Er wird nach dem Anschluss zunächst kommisarischer Leiter und ab 1942 Direktor der Schule. Politisch Andersdenkende werden aus der Schule verdrängt. Der Autor stellt die Schicksale der Betroffenen bis in die Nachkriegszeit dar. Das Hauptanliegen Zweigelts, so die Recherche, ist weiterhin die wissenschaftliche Arbeit, um die Reputation der Schule zu sichern und die Vereinnahmung durch Reichsdeutschland zu verhindern.  

1945 wird Zweigelt seiner Funktion enthoben, ein Verfahren wegen des Verbrechens des Hochverrats wird eingeleitet und Zweigelt in Untersuchungshaft genommen. Im Juli 1948 wird das Verfahren eingestellt. Schwerwiegende Verbrechen konnten nicht gefunden werden, der Bundespräsident begnadigt ihn. Der Vorwurf, einen Mitarbeiter bei der Gestapo denunziert zu haben, lässt sich nicht bestätigen. Zweigelt wird nach der Begnadigung pensioniert und lebt bis zu seinem Tod 1964 in der Steiermark. Die Schule in Klosterneuburg hat er wahrscheinlich nicht mehr betreten.

Deckers kritisiert die plakative Berichterstattung der Medien, die auf Basis ungeprüfter Informationen eine Pauschalverurteilung Zweigelts verbreiten. Aus der Studie ist seine Absicht zu erkennen, die Schule als maßgebliche wissenschaftliche Forschungseinrichtung im europäischen Kontext zu positionieren. Persönlicher Vorteil und kriminelles Verhalten haben den Ergebnissen zu Folge keine Rolle gespielt. Wie, stellt sich die Frage, ist mit jemanden zu verfahren, der bekennender Nationalsozialist war, sich aber keiner persönlichen Verbrechen schuldig gemacht hat?

Richard Edl

Eisenbahnen im Weinviertel. Von den 1970er-Jahren bis heute

23. Dezember 2022

Karl Zellhofer, Martin Zellhofer: Eisenbahnen im Weinviertel. Von den 1970er-Jahren bis heute

132 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Hardcover

Edition Winkler-Hermaden, 2022

ISBN 978-3-9505166-0-9   EURO 24,90

http://www.edition-wh.at

Im Herbst 2022 ist wieder ein Buch des bewährten Autorenduos Zellhofer erschienen, das diesmal die Veränderungen der „Weinviertler Eisenbahnwelt“ zum Inhalt hat. Nach Jahrzehnten gegliedert werden die jeweiligen Neuerungen beim verwendeten Fuhrpark, zum Streckenausbau und der sonstigen technischen Modernisierungen, aber auch der Einstellungen und Rationalisierungsversuche spannend beschrieben und danach mit Bildern dokumentiert. Nicht einmal auf die Änderungen bei der Fahrkartenausgabetechnik wurde vergessen und mit Bildern belegt.

Fast alle Fotos stammen aus dem Fundus der Autoren, eine bemerkenswerte Ergänzung zu den zahlreichen Bildern in der Eisenbahnliteratur von den bekannten Eisenbahnspezialisten der „Wiener Schule“ der Nachkriegszeit. Bei vielen Fotos, die nicht nur Typenbilder und Züge mit Bahnhöfen abbilden, ist auch das Flair der Welt der Eisenbahn auf dem Land der jüngeren Vergangenheit bis zur Gegenwart spürbar.

Hervorzuheben sind auch die eingebetteten Interviews mit Mitarbeitern aus verschiedenen Bereichen der ÖBB wie Fahrdienst, Heizhausbedienstete, Schalterdienst oder Fahrdienstleiter, die einen authentischen Einblick in ihre Tätigkeit wiedergeben und die Stimmung zu den langsamen Veränderungen von der Modernisierung bis zum teilweisen Verschwinden des Kulturgutes Eisenbahn auf dem Land wiedergeben.

Zahlen und Fakten über die Nutzung der Bahn versuchen die Beschlüsse der Entscheidungs-träger über Ausbau, Modernisierung und Einstellung begründen, aber auch zu hinterfragen.

Zahlreiche Bilder sind bereits der „Eisenbahnarchäologie“ zuzuordnen. Es wäre noch wünschenswert, ergänzend auf mögliche Nachnutzungen näher einzugehen, denn die für die Bürgermeister billigste Variante der Umwandlung von aufgelassenen Strecken zu Radwegen alleine stellt keine dauerhafte Lösung dar. Den Nutzern der Radwege muss auch etwas geboten werden. Nur beworbene Begleitmaßnahmen wie Ausflüge zu Dorffesten, Ausstellungen oder Museen unter Mitbenützung der noch vorhandenen Bahnstrecken und Radwege sichern die Erinnerung an die „gute alte Zeit“ auf dem Land. Das Buch könnte hier auch eine Anregung für potenzielle Interessenten darstellen.

Das Buch ist eine gelungene Dokumentation  über die Entwicklung der Eisenbahn im Weinviertel seit 1970, aber auch über das verschwindende Kulturgut Nebenbahnen, wovon das Weinviertel besonders betroffen ist. Dazu sei auch auf die Bücher der beiden Autoren „Über den Weinviertler Semmering“ aus dem Jahr 2014 und „Verschwundene Eisenbahnen im Weinviertel“ aus dem Jahr 2018 aus demselben Verlag hingewiesen.

Und: Das Preis-Leistungsverhältnis stimmt in gewohnter Weise wieder.

Heinrich Dieberger

Marschik Matthias, Dorffner Gabriele: Der Bisamberg. Der transdanubische Wächter

29. November 2022

Marschik Matthias, Dorffner Gabriele: Der Bisamberg. Der transdanubische Wächter

Edition Winkler-Hermaden, 2022

120 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, Hardcover

ISBN 978-3-9504937-9-5

Euro 19,50

www.edition-wh.at

Das Team Marschik/Dorffner hat sich nach den „Donaustädter Attraktionen“, dem Portrait des 22. Wiener Gemeindebezirks, etwas weiter westwärts gewandt. Dem „transdanubischen Wächter“, wie der Bisamberg hier genannt wird, widmet sich der Bildband in liebevoller und kundiger Weise. Der Bisamberg führt ein Stiefkind-Dasein unter den Wiener Erhebungen. Die Vis-a-Vis Nachbarn Leopoldsberg und Kahlenberg sind in der städtischen Wahrnehmung um vieles präsenter.

Die Monographie über den Berg, der als nördlicher Pfeiler der Wiener Pforte die Donau flankiert, ist längst notwenig gewesen. Über die Dörfer rundherum – Stammersdorf, Hagenbrunn, Bisamberg, Langenzersdorf und Strebersdorf, werden Bildstrecken geboten, die uns mit kundigem Bildtext mit den Besonderheiten vertraut machen. Dann wird dem Berg selber die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet. Der berühmte Sender ist ebenso Thema wie das Elisabeth-Denkmal zur Erinnerung an die ermordete Kaiserin. Die Hauptrolle jedoch spielt die Natur mit Trockenrasen und Waldungen, beliebt bei Wanderern und Mountain-Bikern, die nicht den großen Andrang haben möchten. Der Bisamberg ist ein Stiller, der für seine Nächsten da ist, er bietet keine laute Lustbarkeit und nicht die illustre Einkehr. Aber Heurige gibt auch am Berg, versteckt und damit auf besondere Weise exklusiv.

Das Fotomaterial, das hier vorrangig verwendet wird, stammt aus privaten Fotoschachteln und öffentlichen Archiven. Altfotos und kundiger Text sind das Kochrezept, das wieder ausgezeichnet funktioniert. Besser und unmittelbarer lässt sich ein Stück Kulturlandschaft kaum erschließen. Die Edition Winkler – Hermaden ist versiert in der Produktion von Bilderbüchern im besten Sinn. Und der Bisamberg hat tatsächlich noch gefehlt…

RE