
DENNER Manuel: Wald.Geschichte.Weinviertel. Der Mittelwald im Weinviertel – historische Waldnutzung als gelebte Tradition und Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt
Mit Beiträgen von Lukas Čižek, Norbert Helm, Petr Kozel, Honza Miklin, Pavel Šebek und Matthias Weiss
Verlag Berger, Horn 2020
144 Seiten, Pappband, cellophaniert
ISBN 978-3-85028-922-1
Euro 29.90
Als Wienerwaldanrainerin war für mich dieser der Inbegriff des Waldes, hohe hundertjährige Buchen, undurchdringliche Baumkronen, dazwischen Eichenbestände und gelegentlich eingestreute Fichten oder Lärchen, im südlichen Wienerwald Föhren, dunkler Waldboden. Auf die Weinviertler Wälder mit ihren meist niedrigen Bäumen und lockerem Bewuchs blickte ich sehr geringschätzig herab. Manuel Denner hat mich eines Besseren belehrt.
Manuel Denner, seit seiner Kindheit an der Natur des Weinviertels interessiert, absolvierte eine forstwirtschaftliche Ausbildung und studierte Landschaftsplanung und -pflege an der Universität für Bodenkultur in Wien.
In der ersten Hälfte des Buches Wald.Geschichte.Weinviertel. führt er die LeserIn zunächst in die Entstehungsgeschichte des Waldes in Ostösterreich ein. Er beginnt am Ende der letzten Eiszeit und berichtet vom Einfluss des Klimas und besonders der großen Pflanzenfresser wie Mammut, Wisent und Auerochsen, die frische Triebe und Krautschicht abweideten und unterholzarme lichte Wälder erzeugten. Später prägte der Mensch das Erscheinungsbild des Waldes durch teils radikale aber auch angepasste Nutzung. Wälder wurden zur Gewinnung von Ackerland und zur Gewinnung von Bau- und Brennholz geschlägert, besonders in Gebieten mit Bergbau war der Holzbedarf enorm. Die Trennung von Wald und Feld war nicht so streng wie heute, der Wald diente häufig als Viehweide, z.B. eigneten sich Eichenwälder hervorragend zur Schweinemast.
Im Mittelalter werden die Wälder vom freien Gut zum Eigentum. Besitzer waren die Grundherrschaft, meist Adelige oder Klöster, die Untertanen durften die Wälder unter bestimmten Bedingungen nutzen. Schlägerungen wurden zunehmend geregelt. Schriftliche Quellen, die bis ins 15. und 16. Jahrhundert zurückreichen, belegen Erwerb und Nutzung durch Gemeinden (z.B. Ketzelsdorfer Gemeindewald) und Wald- bzw. Agrargenossenschaften (z.B. Steinbergwald). In manchen Gegenden wird der Wald nach wie vor von Waldgenossenschaften genutzt (z.B.Hörersdorf).
Im Weinviertel ist der Waldanteil an der Landschaft gering, nichtsdestotrotz aber sehr bedeutsam. Der Wald wird hier als Mittelwald bewirtschaftet. Das heißt, dass Unterholz zur Brennholznutzung regelmäßig entfernt wird, Stockausschläge, also die Triebe der umgeschnittenen Bäume und Sträucher können alle 20-30 Jahre verwendet werden, nur manche Stämme werden belassen und als sogenannte Überhälter erst von der übernächsten Generation geerntet. Denner berichtet auch über vergleichbare Waldnutzung in anderen europäischen Ländern.
Während die typische Weinviertler Landschaft mit intensiver Nutzung von Feldern und Weingärten wenig Raum für Wildtiere und Pflanzengesellschaften belässt, bietet die Mittelwaldbewirtschaftung durch das Nebeneinander unterschiedlicher Lebensräume ideale Bedingungen für eine stabile Artenvielfalt. Dichte und lockere Bestände an Büschen und Unterholz, in frisch geschlägerten Bereichen auch krautige offene Böden sowie das alte Eichenholz der Überhälter oder das Belassen von Totholz in den March-Thaya-Auen nutzen Insekten, Vögel und andere Baumbewohner als Wohnraum, Nisthöhle oder Nahrungsquelle. Einen Überblick über die Tiere und Pflanzen des Weinviertler Mittelwaldes gibt die zweite Hälfte des Buches.
Die Vielfalt an Vögeln, Tagfaltern, Käfern und Heuschrecken will nun von umweltbewussten Weinviertlern entdeckt und bewahrt werden!
Helga Dieberger